Der Weg zur eigenen Arztpraxis ist mit (finanziellen) Hürden verbunden
Rund 9.000 Schulabgängerinnen und Schulabgänger starten jedes Wintersemester ein Medizinstudium in Deutschland – genauer gesagt ein Studium der Humanmedizin. Dazu kommen noch jene Studentinnen und Studentinnen, die im Ausland studieren. Sie alle verfolgen ähnliche Ziele – Mediziner zu werden, anderen Menschen zu helfen und natürlich auch einen Beruf mit vielfältigen Karrieremöglichkeiten und guter Entlohnung auszuüben.
Doch die Voraussetzungen für ein Medizinstudium in Deutschland sollten bereits im Vorfeld beachtet werden, denn für eine diesbezügliche Hochschulausbildung gibt es eine Zulassungsbeschränkung – den sogenannten Numerus Clausus (NC). Studiengänge mit Numerus Clausus verfügen über beschränkte Kapazitäten – konkret gibt es für das Medizinstudium in Deutschland 40.000 Interessenten bei rund 9.000 Studienplätzen – und im Regelfall muss ein bestimmter Notendurchschnitt nachgewiesen werden, um überhaupt mit dem Studium beginnen zu dürfen. Aus diesem Grund weichen viele Studentinnen und Studenten für ein Medizinstudium ins Ausland aus. Allerdings gibt es in Deutschland auch die Möglichkeit, Medizin ohne NC zu studieren. Voraussetzung dafür ist die Zuteilung eines Medizinstudienplatzes, wofür allerdings eine Wartezeit von mehreren Jahren in Kauf genommen werden muss. Allerdings gilt seit dem Sommersemester 2020, dass die Wartezeit alleine keine Garantie darstellt, einen Studienplatz zu erhalten. Die neuen Kriterien lauten Abiturnote, Auswahlverfahren der Universitäten (beispielsweise Eignungstests) und die ebenfalls seit 2020 neue Eignungsquote. Die Eignungsquote deckt erweiterte Kriterien ab – so wird unter anderem berücksichtigt, ob jemand vor dem Studium eine Ausbildung im medizinischen Bereich absolviert hat oder einen medizinischen Beruf, zum Beispiel Gesundheits- oder Krankenpfleger, ausübt. Daneben gibt es auch noch die Möglichkeit, Medizin an einer privaten Hochschule zu studieren.
Es braucht mehr als medizinisches Know-how
Wer in Deutschland Medizin studiert, der muss dafür – je nach Bundesland und Hochschule – zwölf bis dreizehn Semester absolvieren. Wird das Studium dann positiv abgeschlossen, wird dem Mediziner die Approbation erteilt und sie oder er darf den Berufstitel „Ärztin“ bzw. „Arzt“ tragen. Ist das geschafft, stellt sich für Mediziner die entscheidende Frage: Bleibt der Arbeitsmittelpunkt rein in den Krankenhäusern und Gesundheitsanstalten oder soll vielleicht (auch zusätzlich) eine Arztpraxis gegründet bzw. eine bestehende übernommen werden. Doch nach der Beendigung des Studiums kann nicht gleich mit einer Arztpraxis gestartet werden, sondern zunächst einmal steht eine vier- bis sechsjährige Weiterbildung an. In dieser findet eine Spezialisierung zum Facharzt (beispielsweise Dermatologie, Radiologie, Orthopädie, etc.) statt. Nach dieser Zeit als Assistenzarzt ist die Eröffnung einer eigenen Praxis möglich, allerdings nicht ohne die eine oder andere Hürde zu meistern. Denn niedergelassene Ärzte sind auch gleichzeitig Unternehmer, die neben fachlichem Wissen auch Aspekte der Wirtschaftlichkeit oder Personalführung nicht außer Acht lassen dürfen.
Nicht überall darf (neu)gegründet werden
Gerade wenn es sich um eine Praxisneugründung und nicht um eine -übernahme handelt, ist diese nicht so einfach möglich. Denn aufgrund des Gesundheitsstrukturgesetzes sind Neugründungen in Deutschland nur noch in nicht zulassungsbeschränkten Gebieten zulässig. Das sind vorrangig Gebiete, die derzeit unterversorgt sind, und dieser Zustand trifft aktuell nur auf ländliche Gebiete in den neuen Bundesländern zu. Diese Beschränkung gilt darüber hinaus nur für Allgemeinmediziner, Fachärzte sind hier weniger eingeschränkt. Allerdings sind auch diese nicht entkoppelt von der Bedarfsplanung, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen durchgeführt wird. Da man in den wenigsten Fällen nur mit Selbstzahlern und privatversicherten Personen sein wirtschaftliches Auskommen als Ärztin oder Arzt finden wird, braucht es für die Behandlung von gesetzlich Versicherten eine Zulassung als Vertragsarzt der gesetzlichen Krankenkassen. Das ist aber meist eher von formaler Natur, denn nach einem schriftlichen Antrag an den Zulassungsausschuss wird in der Regel eine Bewilligung erteilt.
Die Kosten einer Praxisgründung
Egal ob eine bestehende Praxis übernommen wird oder gleich mit einer neuen, eigenen gestartet werden soll, der finanzielle Aufwand ist nicht gerade unbeträchtlich. Die apoBank (Deutsche Apotheker- und Ärztebank) hat dazu eine Kostenschätzung für die Praxisgründung eines Allgemeinarztes erstellt. Bei einer Einzelpraxisgründung fällt zwar prinzipiell kein ideeller Wert bzw. materieller Wert (Subsatzwert) – sprich kein Übernahmepreis – an. Allerdings werden die Kosten für Modernisierung/Umbau auf rund 6.400 Euro und die Anschaffung medizinisch-technischer Geräte bzw. sonstigem Inventar auf rund 105.400 Euro geschätzt, wodurch eine Gesamtinvestition von 111.800 Euro zu Buche steht. Bei der Einzelpraxisübernahme wird ein ideeller Wert (Patientenstamm, Image und Lage der Praxis, etc.) von rund 55.300 Euro und ein materieller Wert (Substanzwert) von 21.200 Euro angenommen, wodurch sich ein theoretischer Übernahmepreis von 76.500 Euro ergibt. Dazu kommen dann noch rund 6.800 Euro an Kosten für Modernisierung/Umbau und die Anschaffung medizinisch-technischer Geräte und sonstigem Inventar von etwa 31.700 Euro. Somit beläuft sich hier die Gesamtinvestition mit 115.000 Euro um ein paar wenige Tausend Euro mehr als bei der Neugründung einer Einzelpraxis. Die Unterschiede zwischen beiden Varianten sind also aus finanzieller Sicht marginal und die Finanzierungsexperten halten außerdem fest, dass für die Gründung einer Praxis keine Eigenmittel vonnöten sind. Die Finanzierung kann einfach durch Kredite, Leasing oder Mietkauf bewerkstelligt werden. Es braucht aber auf jeden Fall ein zuverlässiges Finanzierungskonzept, das aus mehreren Elementen besteht. Ein Fixzinsdarlehen kann ein probates Mittel darstellen, das durch eine Leasingvariante, etwa für die Anschaffung von medizinisch-technischem Equipment, ergänzt werden kann. Ein Mietkauf kommt dort zum Einsatz, wo eine Praxis übernommen wird und der Mieter vom Vermieter das Recht eingeräumt bekommt, die gemietete Sache innerhalb einer bestimmten Frist zu einem festgelegten Preis zu erwerben. Bis der Kauf tatsächlich erfolgt, wird eine monatliche Miete bezahlt, die auf den Kaufpreis angerechnet wird.
Die Gründung einer Zahnarztpraxis kann teuer werden
Während für die Gründung einer Hausarztpraxis also etwa rund 110.000 bis 115.000 Euro zu veranschlagen sind, müssen Mediziner, die den Wunsch nach einer eigenen Praxis hegen, deutlich tiefer in die Tasche greifen. Eine Analyse aus dem Jahr 2016 zeigt, dass Zahnärzte für die Neugründung einer Einzelpraxis rund 470.000 Euro locker machen müssen, 2018 waren es bereits 522.000 Euro. Im Jahr 2018 erfolgte jede zweite Niederlassung durch eine Zahnärztin, wie die Existenzgründungsanalyse der apoBank darlegt. Besonders im Osten Deutschland sind die weiblichen Zahnärzte deutlich gründungswilliger: 63 Prozent der Praxisneugründungen wurden dort von Frauen bestritten und dieser Wert lag damit wesentlich höher als in anderen Regionen der Bundesrepublik. „Im Osten kommen größere Praxen mit angestellten Zahnärzten seltener vor. Demensprechend gibt es auch weniger Alternativen zur Niederlassung in einer eigenen Praxis“, betont Daniel Zehnich, Bereichsleiter Gesundheitsmärkte und Gesundheitspolitik bei der apoBank. Sieht man sich die Situation deutschlandweit an, so sind Zahnärztinnen bei den Praxisgründern aber eher unterrepräsentiert. Zahnärztinnen sind mit durchschnittlich 37 Jahren zum Zeitpunkt der Gründung der niedergelassenen Praxis um knapp zwei Jahre älter als ihre männlichen Kollegen. 2018 war die Mehrheit der Männer (55 Prozent) zum Zeitpunkt der Niederlassung unter 35 Jahre alt. Bei den Frauen hatte hingegen bereits jede Dritte bei der Gründung einer Zahnarztpraxis den 40. Geburtstag hinter sich.
Egal ob Männer oder Frauen, die Kosten für die Gründung einer Zahnarztpraxis steigen kontinuierlich von Jahr zu Jahr. 2018 wurde erstmals die 500.000-Euro-Marke bei der Neugründung überstiegen, für die Übernahme einer bestehenden Praxis standen im Schnitt 340.000 Euro an Investitionen zu Buche.
Professionalität bei der Gründung macht sich bezahlt
Potenzielle Existenzgründer sollten sich bereits im Vorfeld über sämtliche Möglichkeiten der Unterstützung informieren, aber auch eventuelle Hürden berücksichtigen. Zunächst einmal ist es essenziell, Fördermittel vollständig auszuschöpfen. Die Förderungen gibt es sowohl für Praxisneugründungen als auch -übernahmen. Dazu stellen der Bund und die Länder unterschiedliche Fördermittel bereit. Wie überall gilt es, alle zur Verfügung stehenden Fördermitteln zur Gänze auszuschöpfen – selbstständige Fördermittelberater können hier unterstützend tätig werden.
Soll eine bestehende Praxis übernommen werden, braucht es die Einigung mit dem bisherigen Inhaber. Dabei sollte der Wert der Arztpraxis professionell ermittelt werden, der dann die Basis für die Übernahmeverhandlungen bildet. Grobe Schätzungen sind hier fehl am Platz, nicht berücksichtigten Finanzmittel könnten nämlich zu einem späteren Zeitpunkt für wichtige Dinge wie Modernisierungsarbeiten oder Marketingmittel fehlen.
Und natürlich muss auch die Finanzierung gesichert sein. Denn im Normalfall erwartet das Bankinstitut einen fundierten und detaillierten Businessplan. Ärzte sind zwar sehr gut in medizinischen Fächern, bei betriebswirtschaftlichen Belangen kann es allerdings hapern. Auch hier kann ein guter Berater entscheidende Hilfestellung leisten.
Welche Stellen Fördermittel bereithalten
Um vor allem in ländlichen Regionen dem Ärztemangel zu begegnen, bezuschusst schon in der Gegenwart die Mehrheit der deutschen Bundesländer die Eröffnung einer Praxis oder Zweigniederlassung. So gewährt zum Beispiel in Bayern die Kassenärztliche Vereinigung (KV) in sogenannten drohend unterversorgten Planungsbereichen bis zu 112.500 Euro, wenn sich ein Arzt niederlässt und in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung tätig ist. Zudem können in allen Lebenszyklusphasen einer Arztpraxis weitere Förderungen abgerufen werden. Neben Zuschüssen sind dies zumeist zinsverbilligte Darlehen und Bürgschaften. Mittels der Hausbank können bei der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) Bankengruppe oder den Landesförderbanken zinsverbilligte Darlehen für Betriebsmittel oder Investitionen beantragt werden. Dazu zählen der ERP (Sondervermögen aus dem Europäischen Wiederaufbauprogramm) Gründerkredit, der KfW Unternehmerkredit oder der Universalkredit der LfA (Landesanstalt für Aufbaufinanzierung – Bayern).
Konkret ist der Antrag für zinsverbilligte Darlehen über die Hausbank („Hausbankprinzip“) zu stellen. Die Hausbank prüft die Förderfähigkeit und Bonität des Antragstellers und leitet die Anträge an die jeweilige Förderstelle weiter. Der Faktor Zeit muss während dieses Prozesses unbedingt berücksichtigt werden. Denn zur Kreditbearbeitungszeit bei der Hausbank addiert sich noch die Antragsbearbeitungszeit bei der Förderstelle. Ärzte können auch ohne ausreichende Kreditsicherheiten an Geld für notwendige Investitionen kommen, dafür sorgt die Möglichkeit einer Haftungsfreistellung durch die KfW oder die Landesförderbanken. Mit der Haftungsfreistellung befreit die jeweilige Förderbank die Hausbank, bei der das Kreditrisiko liegt, teilweise von der Haftung. Eine weitere Option ist die Beantragung einer Bürgschaft einer Landesförderbank oder einer Bürgschaftsbank. Um die Vorgründungs-, Existenzgründungs- und Wachstumsphase zu begleiten sowie in schwierigen wirtschaftlichen Situationen nicht alleine zu sein, können Ärzte mit dem Wunsch nach einer eigenen Praxis auch eine Beratungsförderung in Anspruch nehmen.